Bericht zum Sommer 2022

Liebe Theaterfreund:innen!

Wir Kulturschaffende erleben derzeit, dass vielfältige Sparmaßnahmen auch die Präsenz und Aufmerksamkeit von Redakteur:innen betreffend unser künstlerisches Schaffen samt anschließender Berichterstattung stark einschränken! Es wird daher immer mehr notwendige Gepflogenheit, dass wir die Öffentlichkeit selbst darüber informieren, was wir, als geförderter Theaterbetrieb, zum kulturellen Leben der Stadt und über die Stadtgrenzen hinaus, beitragen.

Hier unser Bericht zum Sommer 2022!

Vom 15. bis 31. Juli 2022 produzierte das österreichische Ensemble der diesjährigen Abschlussklasse der Absolvent:innen der Clownsschule Darmstadt-Wien in Darmstadt.

Mit „Des geht si‘ aus …“ waren sie losgereist, um den Geschehnissen der Zeit ein Quäntchen Hoffnung an die Seite zu stellen und wider alle Unberechenbarkeiten da zu sein, im Gepäck kofferweise Geschichten – lebendige, zaache, unsägliche, schiache, krapferlsüße und beinharte.

 

Weiteres unter www.theatertransit.de/des-geht-si-aus/ und www.theatermollerhaus.de/production/des-geht-siaus/

 

Unser Dank geht an die Wissenschaftsstadt Darmstadt und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und Spender:Innen.

 

 

 

 

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DAZWISCHEN-RÄUME

Was ist das eigentlich genau, was manchmal hauchdünn, gelegentlich unübersehbar, mitunter kaum merklich, hier undurchdringbar, dort überwindbar „dazwischen“ liegt? Zwischen Menschen, die sich begegnen? Eine Linie, eine Geschichte, eine ungestellte Frage, eine unerwünschte Antwort, ein Vorhang aus Vorbehalten – niemand weiß eigentlich genau, um was es sich da handelt.

WAS liegt dazwischen?

Um dieser Fragestellung nachzugehen haben sich 7 Theater-Kolleginnen unterschiedlichen Alters, Nationalität und Lebensform im Rahmen eines von August bis November erstreckenden Forschungs- und Inszenierungsprojekts auf den Weg gemacht.
Auf der Suche nach dem Moment ‚zwischenloser‘ Begegnung hat sich die „MaCC“ – MasterClassClowns – der Clownsschule-Darmstadt/Theater Transit bislang zunächst zwei Formaten gewidmet:

 

WAS geschah im Detail?

Im Zentrum des ersten Formats standen Geschichten von Frauen. Lebensgeschichten, deren Verlauf, deren Stationen, deren „Aufs & Abs“ vielleicht eine Antwort beinhalten können, auf die Frage: „Woher kommt die Kraft, immer wieder aufzustehen?“ Während eines nur 4-tägigen Probenprozesses in der Produktionsstätte von Theater Transit, einer Fabrikhalle der Wackerfabrik in Niederramstadt, haben 6 Spielerinnen diese Geschichten unter der Regie von Ann Dargies recherchiert und theatral erarbeitet.

Am 14. August 2022 fanden Begegnungen mit Publikum im Rahmen eines öffentlichen Arbeitens in der Freilichtbühne des Theater Mollerhaus statt. In der Bühne 6 Frauen, aus Estland, Österreich, Brasilien, Deutschland und dem Iran.

Mit ihrem Anliegen, zu berichten: „… ich kenne eine Frau …“, 6 eindringliche Theaterfiguren, deren fragile Kraft unterstrichen wurde durch die Zartheit ihrer Kostüme, die Schlichtheit des Bühnenbilds und die intime Vitalität der Geschichten, die sie erzählten. Nebst in deutscher Sprache auch auf persisch, portugiesisch, österreichisch, finnisch, englisch und russisch. Die Ausdruckskraft der Figuren hat den Zuschauer:innen ein Verstehen jenseits vorhandenen Sprachverständnisses ermöglicht. Ein Abend zum Innehalten und für Begegnung. Mit starken Geschichten, lauten, leisen, berührenden, humorvollen wie traurigen. Vielleicht auch mit den eigenen. Zwei Abende, die mit dem Gedanken „… es ging doch …“ eingeladen haben, zu denken „… es geht doch …“. Aufzustehen.

Unser Dank geht an die Wissenschaftsstadt Darmstadt und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und Spender:Innen.

 

 

 

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SZENENWECHSEL

Im zweiten Format waren die Spielerinnen, erneut unter der Regie von Ann Dargies, am 17. und 19. August 2022 als Performerinnen im öffentlichen Raum unterwegs. Im Gepäck einen Grenzpfosten, wie ihn viele kennen und eine persönliche Fragestellung vor dem Hintergrund aktuellen Zeitgeschehens. Ort der Aktion: das ehemalige EKZ in Kranichstein, ein multikultureller Stadtteil, der geprägt ist vom lebhaften Engagement seiner Bewohner:innen aus unterschiedlichsten Nationen, den Stadtteilarbeiter:innen und der Stadtteilwerkstatt Kranichstein (www.diakonie-darmstadt.de/seite/435352/stadtteilwerkstatt-kranichstein.html).

Historisch gewachsen ein eher verwaister Ort, ist das EKZ mittlerweile nicht zuletzt durch die Aktivitäten der Stadtteilwerkstatt und dem AfkV (Amt für künstlerische Vermessung https://afkv.info/ekz-partner/) wieder ein Platz, an dem man sich trifft. Der neu entstandene Chillaui-Treff, ein „Mitmach-Laden für alle in Kranichstein, internationale Gastronomie, ein Eissalon, die Apotheke, eine Arztpraxis, ein Friseursalon, die Reinigung und die Stadtteilpolizei machen den Ort zu einer Art „Wohnzimmer des Quartiers“. Wo man sich unterhält, einfach bloß eine Weile sitzt und schaut oder alltäglich grundversorgt.

Was geschieht, wenn man dort „zu Gast“ ist, einfach bloß auch dasitzt oder sich an einen Pfosten lehnt und denen, die sie hören wollen, seine Frage stellt? „Wie finden Sie sich eigentlich zurecht, in dieser unruhigen Zeit?“ Kann ein Grenzpfosten zum Kontakt führen unter „Fremden“ an einem vertrauten Ort? Oder wie ist das, wenn die Vorbeikommenden selbst Fragen stellen? „Was soll dieser Pfosten?“ oder „Was macht Ihr da?“ Und was passiert, wenn 6 Spielerinnen beginnen, auf dem kleinen Platz in der Mitte des Einkaufszentrums, mit ihren rot-weißen Pfosten zu agieren? Sie aufzustellen, zu gruppieren, auf den Boden fallen zu lassen? Halma, Schach oder ist es Mikado? Was da „gespielt“ wird?

Das Agieren mit den hölzernen Pfosten, die unaufdringliche Präsenz der Spielerinnen mitsamt ihrer freundlichen Neugier, Antworten auf Ihre Fragen zu erhalten, hat die Passant:innen veranlasst, innezuhalten, Platz zu nehmen, ihre Gedanken zu äußern, „mit zu spielen“.
Stimmen von in Deutschland oder auch direkt in Darmstadt geborenen Menschen haben sich verwoben mit solchen aus dem Iran, dem Sudan oder Tschechien: wir können nur erahnen, wie viele und unterschiedliche Kulturen dagewesen sind. Stimmen von Erwachsenen haben sich mit denen von Kindern vermischt.

Diese Stimmen haben zum Beispiel gesagt:

  • „Grenzen sind nur im Kopf.“
  • „Auf diesem Platz hier gibt es keine Grenze, der ist für alle da, für gelb, grün und blau.“
  • „Hier geht die Grenze mitten durch, da ist die Penny Fraktion, da ist die Edeka Fraktion.“
  • „Weiter machen, weiter machen …“
  • „Wir brauchen auch Grenzen.“
  • „Da hinten steht auch noch eine Grenze, komm‘, leg‘ sie drauf.“
  • „Angst verstecken, Herz raus.“
  • „Diese Zeit ist nur mit Humor zu ertragen.“
  • „Ja, ich bin auch froh, dass ich hier lebe (Anmerk.: in gebrochenem Deutsch).“
  • „Zusammenhalt und Hoffnung“.
  • Zuletzt tritt eine Frau mitten auf den Platz, greift den letzten stehenden Pfosten, legt ihn auf den Boden und sagt: „Ok. Jetzt ist Ruhe.“

Unser Dank geht an die Wissenschaftsstadt Darmstadt und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst,
Spender:innen sowie an die Stadtteilwerkstatt Kranichstein.

www.theatermollerhaus.de • www.kranichsteinkalender.de •  www.diakonie-darmstadt.de • www.partyamt.de

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AUSBLICK

Zu Novembertagen, am Sa, 19. und So, 20. November 2022 verweben die 6 Akteurinnen unter der Regie von Ann Dargies die Ergebnisse ihrer Forschungsreise auf der der Suche nach dem Moment ‚zwischenloser‘ Begegnung, deren Wege und die darin verwobenen Geschichten zu einem „STATIONEN-THEATER“ auf dem Waldfriedhof Darmstadt – und laden herzlich ein: zu einem Blick auf stattgefundene Geschichten, zum Innehalten an der Haltestelle „Zum Ausrasten“ und anderem mehr.

Zum Totensonntag setzen sie Lichter, Stimmen, Melodien und Bilder in die besondere Architektur und Landschaft des Waldfriedhofs Darmstadt.

Ein Theater, dessen Stationen an einem besonderen Ort, aus Anlass eines besonderen Tages zu stillem und kraftvollem Innehalten
in lauter Zeit einladen.


Fotos – Copyright: ©Theater Transit

Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

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